Kommentar Alexander Molitor (Partei-MUT) zum Tabubruch

Gerechtigkeit

Das zukünftige Mensch-Tier-Verhältnis, in einer modernen Gesellschaft ist keine Frage von „Tierliebe“, sondern eine Frage von Gerechtigkeit.

10356317_766965809992612_9080926779861151555_nNeulich sah ich eine Zeichnung des Cartoonisten Leandro Martinez – ein wütender Stier hatte einen Bauern brutal und fest im Würgegriff, auf dem Boden umgekippte Eimer und verschüttete Milch, daneben eine offensichtlich beschämte und verschüchterte Kuh. Die Frage des Stiers: „Ist es der, welcher Dir an die Brüste gefasst hat…“.

Naja, ich habe schon mehr gelacht, aber ich ertappte mich dennoch bei einem leichten Schmunzeln.
Zugegeben – über das Schicksal des Bauern dachte ich nicht weiter nach auch wenn ich weiß, dass tatsächlich immer wieder Bauern durch Stiere schwer verletzt oder sogar getötet werden.
Mein Gott – es ist eine Cartoonfigur, nennen wir es mal Satire, wer würde das verbieten oder sich ernsthaft darüber aufregen……

Nun tobt seit Tagen ein Sturm der Entrüstung durch die Medien (mittlerweile auch außerhalb Deutschlands), aufgrund der provokativen Äußerungen einer Tierrechtsorganisation.
Täglich lesen wir neue Schlagzeilen: „Wie menschenverachtend manche Tierschützer denken“, „Schadet dem seriösen Tierschutz“, „Turbulenzen in der Veggieszene“, „Veganer entsetzt“, „Eine Organisation […] dessen Tierliebe […] zur Menschenfeindlichkeit mutiert ist“.

Ja, angesichts des Todes eines Menschen gehört zur Menschlichkeit auch Pietät, Mitgefühl für die Angehörigen – und verantwortlich den Unterschied zwischen abstrakter Satire und einem tatsächlichen Ereignis zu sehen.

Doch müssen wir uns dann nicht auch fragen, was Verantwortung gegenüber der Vielzahl der Toten bedeutet, die ausgelöst durch die Karikaturen eines französischen Satiremagazins zu beklagen sind?

Müssen wir uns nicht die Frage gefallen lassen, wo das Mitgefühl gegenüber deren Angehörigen seinen Platz findet, wenn wir es bejubeln, dass Karikaturen veröffentlicht werden, obwohl man im Vorfeld mit Sicherheit weiß, dass tatsächliche schwerste Unruhen in einer Vielzahl von Ländern stattfinden werden?

Für wen gilt unsere Meinungsfreiheit?

Für einen Nobelpreisträger für Literatur, den es „schmerzt […], dass es nie zu einer Erhebung der Tiere gegen uns kommen wird […], der sich vorstellt „wie eine Rebellion in einem Schlachthaus ausbricht und von da sich über eine ganze Stadt ergießt“, weil er mit diesen Worten scheinbar niemanden persönlich trifft und sich nicht auf ein konkretes Ereignis bezieht?

Für einen Satiriker, der wissentlich eine derart überwältigende persönliche Betroffenheit schafft, dass er damit konkrete Ereignisse erst auslöst, nur weil er seine Aussage in Humor kleidet?

Für eine Tierrechtlerin soll eben diese Meinungsfreiheit plötzlich nicht gelten, weil sie diese zu nah an einem konkreten Ereignis äußert, oder weil sie nicht auch noch Witze darüber macht?

Was nützen nun die vorschnellen Antworten, ausgerechnet derer, die noch nicht einmal die Frage verstanden haben? Hier geht es nicht um „Tierschutz“, hier geht es nicht um eine „vegane Ernährung“, hier geht es ganz sicher nicht um eine „Veggieszene“ – hier geht es um Tierrechte.

Das zukünftige Mensch-Tier-Verhältnis, in einer modernen Gesellschaft ist keine Frage von „Tierliebe“, sondern eine Frage von Gerechtigkeit.

Wir – und das gilt auch und insbesondere für mich an dieser Stelle – müssen nicht zu allen Fragen sofort eine Antwort finden, ohne wenn und aber Stellung beziehen, aber wir müssen endlich einmal anfangen die Fragen zu stellen, dazu gehört auch die Frage warum ohne Provokation das ganze Thema Tierrechte von einer Mehrheit nicht wahrgenommen werden will, wer schon die Fragen ignorieren will, wird kaum eine vernünftige Antwort finden.

Die Äußerungen der Tierrechtsorganisation Animal Peace muss nicht jede und jeder teilen, nicht jeder Mensch muss sie verstehen, aber man hat sie hinzunehmen, man hat sie zu akzeptieren, man hat nicht an einem Tag die Meinungsfreiheit zu preisen, nur um am anderen Tag eben diese, in einem sinnlosen, undifferenzierten Sturm der Entrüstung preis zu geben.

 

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